Eine aktuelle Studie über den Bedarf an Eigenkapitalhilfe für den Mittelstand der Stiftung Senat der Wirtschaft zeigt, daß mehr als 20 % der Unternehmen im Mittelstand zusätzliche Eigenkapitalmittel brauchen. Diese Mittel würden gebraucht, um nach der Covid-19-Pandemie wieder durchstarten zu können. Das Kapital werde z.B. für Rohstoffe und Vertriebsinvestitionen gebraucht, um die Folgen der Coronakrise überwinden zu können. Im folgenden Interview erläutert Dr. Brüssel, Vorstandsvorsitzender Stiftung Senat der Wirtschaft und Vorstand Senat der Wirtschaft Deutschland e.V., warum Eigenkapitalversorgung so wichtig ist für eine erfolgreiche Regenerierung des Mittelstands nach Covid-19.
Bitte erläutern Sie kurz Fokus und Reichweite der Studie über den Bedarf an Eigenkapitalhilfe für den Mittelstand.
Dr. Brüssel: Bei dieser Studie handelt es sich um eine Befragung unter den Mitgliedsunternehmen des Senats der Wirtschaft. Wir haben im Frühjahr 737 Mitgliedsunternehmen, vornehmlich in einer Größe von 50 bis 500 Mitarbeiter angefragt. Davon haben uns 271 umfassend geantwortet. Insofern bietet die Befragung keinen repräsentativen Schnitt, sie bietet jedoch einen guten Querschnitt. Unternehmen aus den Bereichen Dienstleistung, Produktion, Handwerk und Handel sind vertreten. Der Fokus der Befragung lag auf dem Finanzbedarf der Unternehmen und den gewählten Lösungen zu seiner Deckung.
Wie ist die Finanzierungssituation im Mittelstand im zweiten Jahr von Corona nach Ihrer Umfrage?
Dr. Brüssel: Die Studie zeigt auf, dass viele der befragten Betriebe nach den beiden Lockdowns zusätzliche Kreditmittel zum Überleben aufnehmen mussten. 26,2 % nahmen Überbrückungshilfen des Staates in Anspruch, 24 % setzten Kreditmittel zur Lockdown-Bewältigung ein. Und immerhin 15,2 % haben als Gesellschafter Eigenkapital nachgeschossen, also privates Geld zur Krisenüberwindung eingesetzt. Bemerkenswert fanden wir, dass gut ein Viertel der Befragten angab, keine geeigneten Unterstützungsprogramme gefunden zu haben. Oder aber, dass sie nicht alle bestehenden Kriterien erfüllen, um eine solche Förderung zu erhalten. Das sind aus unserer Sicht zu viele. Die Frage steht im Raum, wie diesen Unternehmen geholfen werden kann und welche Finanzierungsstrategien hier nachhaltig helfen können.
Welche positiven Trends hat die Studie ans Licht gebracht?
Dr. Brüssel: Positiv überrascht hat uns, dass mehr als 60 % der Befragten glauben, die Krise aus eigener Kraft überstehen zu können. Manche Unternehmen verzeichnen seit Pandemie-Beginn sogar bessere Umsätze als zuvor. Dies sind vor allem Unternehmen, die ihre Digitalisierung bereits aktiv in die Hand genommen haben. Auch der enorme persönliche Einsatz der Eigenkapitalgeber zur Bewältigung der von der Pandemie ausgelösten Existenznot und Insolvenzgefahr beeindruckt mich. Und hier möchte ich auch nochmal darauf hinweisen, dass wir bei der gegenwärtigen Krise nicht von schlechtem Wirtschaften oder Fehlinvestitionen reden. Hier geht es eindeutig um durch den notwendigen Lockdown geschaffene Probleme!
Welche Bedeutung für die Krisenbewältigung und den Kapitalbedarf hat hier das Thema Eigenkapitalmittel?
Dr. Brüssel: Viele Befragte gaben an, auch in 2022 weiteren Kapitalbedarf für das Krisenmanagement als Folge der Pandemie zu haben. Dabei stellt sich die Frage der Kreditfinanzierung auch vor dem Hintergrund des durch die erste Phase bereits angespannten Eigenkapitals. Denn das resultiert in sinkender Kreditwürdigkeit. Deshalb geben bereits heute mehr als 11 % der Unternehmen an, zur positiven Überwindung weiteres Investivkapital zu benötigen. Sie können dieses jedoch durch mangelnde Eigenkapitalausstattung oft nicht finden.
Daher haben wir gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger und der HANNOVER Finanz die Eigenkapitalinitiative für den deutschen Mittelstand angestoßen. Damit hoffen wir, der Coronapolitik einen Impuls für eine einfachere Eigenkapitalerhöhung betroffener Unternehmen zu bieten. Er soll politisch Verantwortliche in Bund und Ländern überzeugen, die privaten Kapitalmöglichkeiten für Mittelstandsunternehmen dahingehend zu fördern. Mehr als ein Viertel der Befragten sagten, dass sie mit Mezzanine-Finanzierung oder privaten Investitionsmitteln ihre Unternehmen retten könnten. Zuviele sagten, dass sie ohne eine wirksame Unterstützung durch Investoren mit Eigenkapital die Coronakrise nicht überstehen würden!
Was hat der Staat davon, die Eigenkapitalquote für den Mittelstand zu fördern?
Dr. Brüssel: Fonds- oder sogenannte „Mezzanine“-Finanzierungen sind keine klassischen Schulden und belasten dementsprechend auch nicht die Bilanz der Unternehmen. Solche Finanzierungen stehen den Unternehmen aber nur bei ausreichender Eigenkapitaldeckung zur Verfügung. Wir sind überzeugt, dass politische Impulse zur Förderung der Eigenkapitalhilfe ein wesentlicher Beitrag der Coronapolitik zum Fortbestand krisengetroffener Mittelständler wäre. Die Politik kann so den Mittelstand ohne zusätzliche Staatsgelder effektiv bei der Bewältigung der Auswirkungen der Pandemie unterstützen!