Der Senat der Wirtschaft Deutschland und der Club of Rome empfehlen einen Marshall Plan mit Afrika. Sie richten einen Appell an die Bundesregierung: Angesichts wachsender Migrationsströme soll Deutschland stark erhöhte Mittel bereitstellen und so private Investitionen in vielfacher Höhe anstoßen, um nachhaltig bessere Perspektiven für Menschen in Afrika zu schaffen. Im Rahmen der Bundespressekonferenz am 11.11.2016 übergaben der präsident des Senats Prof. Franz Josef Radermacher und der Präsident des Club of Rome Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker die Denkschrift „Migration, Nachhaltigkeit und ein Marshall Plan mit Afrika“ an Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Bis 2050 wird sich nach Berechnungen der UN die Bevölkerung Afrikas auf über zwei Milliarden Menschen verdoppeln, bis 2100 möglicherweise vervierfachen. Die Zahl der gescheiterten Staaten könnte weiter zunehmen. Der Regenwald könnte durch Bevölkerungsdruck und Klimawandel ganz verschwinden. Migrationsströme werden zunehmen. Schon heute sind weltweit 65 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Konflikten. Rund 250 Millionen verlassen ihre Heimat, weil sie dort keine wirtschaftliche Perspektive mehr sehen.
Angesichts dieser Herausforderungen appellieren der Club of Rome und der Senat der Wirtschaft mit einer Denkschrift an die Bundesregierung, sich für einen Marshall Plan mit Afrika einzusetzen. Dies mit besonderem Fokus auf Teilen der MENA-Region. Bewusst sehen sie dabei alle beteiligten Länder als gleichwertige Partner, wie Prof. Dr. Ernst von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome, betonte: „Ein Marshall-Plan zwischen Europa und Afrika geht nur auf gleicher Augenhöhe“.
Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, nahm die Denkschrift entgegen. Er betonte: „Wir brauchen einen breiten Ansatz für die Zusammenarbeit mit Afrika, einen neuen umfassenden Zukunftsvertrag. Entwicklungschancen wie Ressourcenreichtum und Innovationskraft müssen allen Afrikanern zugutekommen. Wir wollen Afrikas Weg unterstützen. Dazu gehören gute Regierungsführung, die Mobilisierung eigener Ressourcen, eine Privatwirtschaftsoffensive, fairer Handel und eine nachhaltige Entwicklung für den gesamten Kontinent. Denn in unserer globalen Welt profitieren wir direkt von einem erfolgreichen Afrika.“
Im Jahr setzen Deutsche nur etwa 2 Euro pro Bürger Afrikas für Entwicklung ein. Die Betreuung eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings in Deutschland kostet etwa 60.000 Euro im Jahr, das ist das 30.000-fache. Zugleich holt Deutschland über internationalen Handel hohe Geldsummen aus afrikanischen Ländern heraus und toleriert eine Finanzstruktur, in der Eliten das Geld aus Afrika in Steuerparadiesen der reichen Welt „parken“. Ganz offensichtlich kann so keine zukunftsfähige Entwicklung für alle Beteiligten erreicht werden.
Um der Bevölkerungsexplosion zu begegnen, fordern der Club of Rome und der Senat der Wirtschaft, den Aufbau von Sozialsystemenin den beteiligten Ländern zu fördern, die gesellschaftliche Rolle der Frau zu stärken, und in großem Umfang neue Arbeitsplätze für Jugendliche zu schaffen.
Der Club of Rome und der Senat der Wirtschaft schlagen einen „Fonds Zukunft Afrika“ vor. Dieser könnte anlässlich des EU-Afrika-Gipfels 2017 präsentiert werden. Auf deutscher Seite soll er bis 2030 Gesamteinzahlungen von 120 Milliarden Euro umfassen. Die Mittel können zu großen Teilen über den Finanzmarkt platziert werden und eröffnen dann interessante Anlegemöglichkeiten.
Mittel für Afrika sollen u.a. in den Bereichen erneuerbare Energie, Infrastrukturaufbau und Aufforstung investiert werden. „Hier gibt es großen Chancen für Afrika und die Welt. Vor allem die Sahara ist ein echter „Joker“. Es gilt, die Potentiale in Afrika und in Teilen des Mittleren Ostens für netzbasierte erneuerbare Energie zu nutzen: Sonne, Wind und Wasser. Sonne vor allem in den Wüsten,“, erklärt Prof. Franz Josef Radermacher. Viel Energie bedeutet dabei auch viel Wasser, gewonnen mit klimaneutral betriebenen Entsalzungsanlagen. Aufforstungsprogramme sieht Radermacher als „Schlüssel für die Förderung von 12 der 17 Nachhaltigkeitsziele der Weltgemeinschaft im Rahmen der Agenda 2030 in Afrika“. Neue Wälder entziehen der Atmosphäre CO2 und schaffen langfristige Arbeitsplätze.
Der Marshall Plan mit Afrika muss nach Meinung der Autoren verknüpft werden mit einem Ausbau des humanitären Programms für Flüchtlinge in Not und einer gesteuerten Einwanderung zum Vorteil aller Seiten.
Dass der Marshall Plan nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern auch menschlich geboten ist, erläuterte Prof. Franz Josef Radermacher: „Investitionen für bessere Lebensperspektiven der in Afrika lebenden Menschen sind nicht nur massiv kosteneffektiver als der Einsatz sozialstaatlicher Mittel in Deutschland für Flüchtlinge aus Afrika – alles, was den Menschen einen Anreiz bietet, ihre Zukunft im eigenen Land zu gestalten, respektiert auch in viel höherem Maße die Menschenwürde der Betroffenen.“